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Erlebnisse einer jungen Sparkassenfilialleitern bei Kriegsende 1945
Blatt & Bild Archiv-Recherchen
Veröffentlicht von Corinna von List in Geschichte privat gesehen · Freitag 22 Apr 2022
Die zwanzigjährige Filialleiterin sah sich Ende April 1945 in einer oberbayerischen Stadt gleich mit zwei Problemen konfrontiert: Ihre Filiale wird durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt und die einrückenden amerikanischen Truppen lassen den Tresor aufbrechen. Sie rauben 125.000 Reichsmark aus dem Kassenbestand. Um nicht in den Verdacht zu geraten, dass Geld selbst genommen zu haben, schildert sie in einem Brief an die Hauptverwaltung wie das Kassendefizit entstand. Eine sachliche Darstellung, die gleichwohl erahnen lässt, welche Angst für diese junge Frau und ihr Personal damit verbunden war.
Betreff: Kassa
Am 27.4.1945 hatten wir nach Kassenschluss einen Kassenbestand von RM 128.817,65 laut Kassenbestandsbuch. Nachdem die amerikanischen Truppen durch [den Ort] marschierten und in die Kassenräume eindrangen und die Öffnung des Tresors verlangten, blieb nur noch ein Bestand von RM 2.923,82. Die Minusdifferenz von RM 125.893,83 ist auf Grund nachfolgender Tatsache zu verzeichnen:

Als am 27.4.1945 der Krieg immer näher an unsere Mauern rückte und mit neigender Sonne auf [den Ort] der Artilleriebeschuss begann, wurde auch das Sparkassengebäude stark getroffen. 19:10 Uhr des betreffenden Tages ging ein Volltreffer in das Sprechzimmer unseres Institutes. Durch diesen bedauerlichen Umstand, was es möglich, ohne weiteres in das Innere der Sparkasse zu dringen.

Das Gebäude liegt an einer bewegten Straße und der Umstand, dass gerade die Straßenseite getroffen wurde, ließ jedermann, auch den Unwissenden ersehen, dass es sich hier um eine Sparkasse oder ähnliches Unternehmen handeln muss. Daher mag auch kommen, dass die am 28.4.1945 ersten amerikanischen Truppen, es waren Fronttruppen, besonderes Augenmerk auf den schon von der Straße sichtbaren Tresor legten und der Stahlschrank dann auch unter ihrem Zwang geöffnet werden musste.

Die Öffnung des Tresors wurde am 28.4.1945 ungefähr ½ 12 Uhr mit vorgehaltener Pistole gefordert. Da die vor Ort anwesende Angestellte aber nicht im Besitze der Schlüssel war, diese aber bei den beiden Angestellten der Kasse wusste, verständigte sie diese auf schnellstem Wege. Inzwischen begnügten sich die amerikanischen Soldaten mit dem Durchsuchen der Räume. Eine Schreibmaschine wurde danach auch vermisst. Als der Tresor geöffnet war und dies geschah unter Zwang, die amerikanischen Soldaten drohten mit Messer und Pistole, begannen diese ihr Werk. Ihr Handeln konnte nicht verfolgt werden, da sie den anwesenden Personen nicht erlaubten im Raume zu verbleiben. So ging das den ganz Tag zu. Die Sicherheitsuhr wurde mehrmals wurde mehrmals verstellt, sodass man immer wieder unter Drohungen Angestellt der Kasse zum Öffnen des Tresors verlangte.
Gewaltsam mit Hacke und Beil wurden dann auch die Schließfächer (Safe) des Schrankes (nachdem die Schlüssel in Händen verschiedener Kunden unbringbar waren) geöffnet. Ein Fach wurde freigelegt und andere stark beschädigt. Ein Verlust ist hier nicht zu verzeichnen, da das Fach zufällig ohne Inhalt war.
Die noch zuständige Polizeistelle wurde mehrmals verständigt und zwar durch die Hausmeisterin, der man aber immer die Antwort erteilte: „Da kann man nichts dagegen machen, wo anders tun die Truppen dasselbe.“ Eine amerikanische Militärpolizei oder zuständige Behörde war noch nicht auffindbar. Außerdem wurde uns von der Polizeistelle mitgeteilt, wir wären gar nicht berechtigt, die Kassenräume zu betreten.

Als am 30.4.1945 die Mehrzahl der Truppen den Ort verließen und man unter Begleitung des Militärpolizisten Bink die Sparkasse betrat, konnte man nur mehr den Rest von RM 2923,82 feststellen. Franzosen und Polen waren die letzten Stunden zahlreich in Begleitung von amerikanischen Soldaten vertreten. Sie ließen es ebenfalls an Drohung mit Pistolen und ähnlichem nicht fehlen.
Quelle: Privatarchiv CVL



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